Letzte Woche bei Railware

22.5.2004

Es kam die Frage auf, wie lange man denn wohl zur Inbetriebnahme des Beispiels aus der letzten Woche bräuchte ? Das kann stark schwanken: ich selbst würde dafür zwischen 10 und 20 Stunden benötigen. Wenn zuvor sauber gearbeitet wurde und keine Fehler auftreten, dann können auch 5 Stunden reichen.

Beschäftigen wir uns zunächst noch mit weiteren Bauformen. Dazu stellen wir uns vor, das unser Schattenbahnhof nun 10 bis 15 Gleise bekommen soll. Schnell wird klar: wenn alle Gleise die gleiche Länge haben sollen, dann benötigt das sehr viel Platz für die Weichenfelder. Steht der nicht uneingeschränkt zur Verfügung, und das ist wohl fast immer der Fall, dann müssen wir uns etwas einfallen lassen. Meistens wird dann die folgende Variante gewählt.

Sie benötigt weniger Platz für die Weichenfelder, hat aber wieder unterschiedlich lange Abstellgleise. Das ist zwar kein Problem für Railware, denn wenn Sie alle Gleis- und Zuglängen eingetragen haben, kann es damit perfekt umgehen, aber im Sinne einer universellen Nutzung ist es natürlich nicht. Darum empfiehlt sich die im folgenden gezeigte "binäre" Anordnung der Weichen. Das sieht zwar auf den ersten Blick etwas verwirrend aus, aber die Abstellgleise sind nun alle gleich lang. Verfolgt man gedanklich einen Zug vom Dispatcher in irgendein Abstellgleis, fällt noch etwas auf: alle Züge befahren immer die gleiche Anzahl von Weichen. Beim vorherigen Beispiel ist das nicht so: je nach anzusteuerndem Abstellgleis fahren die Züge über ein bis alle Weichen.

Hat das irgendwelche Konsequenzen ? Na, vielleicht erst auf größeren Anlagen mit viel Zugverkehr: durch die gleich langen Fahrzeiten bleibt die Zugfolge nahezu konstant. Aber das wirkt sich wohl eher für Liebhaber des Nah-, S- oder Straßenbahnverkehrs aus. Die Straßenbahnanlage aus Bericht 56 ist dafür ein gutes Beispiel.

Aber bei derartigen Anlagen wird man wohl eher zu dem nun folgenden Beispiel greifen. Die Abstellgleise werden von einem einzelnen Zu- und Rückfahrtsgleis befahren. Zu beachten sind hier einige wichtige Punkte. Der Zuganzeiger des Abstellgleises muss mit dem Signal Richtung Dispatcher zeigen. Ansonsten wird der Dispatcher nicht richtig reagieren können. Bei der Konfiguration der einzelnen Abstellgleise muss in jedem Gleis die Option "Ausfahrt Rückwärts" eingestellt sein. Andernfalls wird bei der Ausfahrt die Richtung des Zuges nicht gewechselt.

Falls eine längere eingleisige Fahrstrecke anschließt, dann könnten sich zwei Züge auf der freien Strecke gegenüber stehen. Um das zu vermeiden, muss mit der Option "Weiterfahrt bis Bahnhof" gearbeitet werden. Dies kann ab Update 4.11 auch am Dispatcher und den Abstellgleisen eingestellt werden. Bei diesem Beispiel reicht aber ein Eintrag im Dispatcher. Bezogen auf das folgende Gleisbild sind diese Einstellungen nötig:

Zuganzeiger im Gleisbild Aktive Optionen
Bhf 1, Gleis 1
  • Bahnhofsname "Bhf 1"
  • Erlaubte Fahrtrichtung "links"
Bhf 1, Gleis 2
  • Bahnhofsname "Bhf 1"
  • Erlaubte Fahrtrichtung "rechts"
  • Weiterfahrt bis Bahnhof
Dispatch
  • Zuganzeigertyp Dispatcher
  • Anzahl Abstellgleise
  • Modus "Zuerst Einfahrt"
  • Bahnhofsname "SB 1"
  • Weiterfahrt bis Bahnhof
Abstellgleise 1 bis 4
  • Ausfahrt rückwärts

Das Ganze eignet sich hervorragend für eingleisige Strecken. Aber bei zweigleisigen Strecken wird man dem Schattenbahnhof ein eigenes Ausfahrtgleis spendieren. Es macht wohl kaum einen Sinn, wenn sich alle Züge einer ausgedehnten zweigleisigen Strecke anschließend durch ein eingleisiges Nadelöhr zum Abstellgleis quälen müssen. Dieses Zusatzgleis wird man dann typischerweise zwischen den Abstellgleisen und dem Dispatcher anordnen. Damit die Züge dann bei der Ausfahrt auch das "richtige" Gleis benutzen, ist am Dispatcher die erlaubte Fahrtrichtung auf "rechts" und beim ersten Zuganzeiger der Ausfahrt die erlaubte Fahrtrichtung auf "links" einzustellen.

Übrigens: wenn Sie nur mit den erlaubten Fahrtrichtungen arbeiten möchten ohne Gleisabschnitte für bestimmte Zuggattungen zu erlauben oder zu sperren, dann muss bei Version 4.10 in irgendeinem Zuganzeiger an beliebiger Stelle des Gleisbildes eine Zuggattung eingetragen sein. Dieser kleine Fehler hat sich durch entfernte Optionen eingeschlichen und ist im Update 4.11 beseitigt worden.

 

Bei den letzten beiden Beispielen ist vielleicht auch klar geworden, warum die beiden Modi "Zuerst Einfahrt" und "Zuerst Ausfahrt" eingestellt werden können. Zunächst einmal muss man den Modus als sogenannten "Trigger" oder Auslöser verstehen: ein einfahrender Zug sorgt selbsttätig für die Ausfahrt eines anderen Zuges. Aber wenn nur eine Zufahrtstrecke existiert und die Züge bei der Ausfahrt wieder über den Dispatcher zurückfahren müssen, dann muss der einfahrende Zug zunächst zwingend abgestellt werden, bevor ein weiterer Zug ausfahren kann. Die Grundeinstellung des Modus ist hier also "Zuerst Einfahrt". Bei den im letzten Bericht dargestellten Gleisen kann man die Option "Zuerst Einfahrt" oder "Ein/Ausfahrt parallel" wählen. 

Aber warum gibt es denn die Option "Zuerst Ausfahrt" ? Fangen wir mal mit dem vermeintlichen Nachteil an: da der einfahrende Zug zunächst angehalten wird und die Ein- und Anfahrt erst stattfindet wenn der ausfahrende Zug den ersten Zuganzeiger auf freier Strecke auslöst, dauert das Ganze merklich länger. Auf stark ausgelasteten Strecken sinkt dann die Zugfrequenz merklich. Der Vorteil liegt hingegen darin, das man für das Schalten aller Weiche erheblich mehr Zeit gewinnt. Denken Sie daran, das bei "Zuerst Einfahrt" alle Schaltvorgänge der Einfahrtweichen vor dem fahrenden Zug gemacht werden müssen. Und dafür braucht es ausreichend Zeit und einen entsprechend langen Belegtmeldeabschnitt für den Dispatcher. Ist dieser also kurz, sagen wir mal kürzer als 1,5 Meter, sollten sie besser mit "Zuerst Ausfahrt" arbeiten. Auch die Benutzer von Motor- oder Servo- Weichenantrieben könnten gezwungen sein, ihre Züge zunächst am Dispatcher anzuhalten. Sonst besteht die Gefahr, das Weichen zu spät schalten ! Alternativ kann man natürlich auch die gefahrenen Geschwindigkeiten am Zuganzeiger vor dem Dispatcher heruntersetzen. Ist der aber noch auf der "Paradestrecke", sieht das nicht besonders elegant aus. Dem einen oder anderen Modellbahner mag deshalb die im Dispatcher einstellbare Option "Weichen Grundstellung" helfen. Weiter benötigt man den "normalen" Gleisaufbau: 

Wenn in den Weichensymbolen eine Grundstellung hinterlegt ist, wie sie farblich gekennzeichnet ist, dann versucht der Dispatcher diese in Ruhezeiten zu stellen. Vor der Ein- oder Ausfahrt eines Zuges muss immer nur eine Weiche gestellt werden. Aber Vorsicht: beachten sie auch die kontextsensitive Hilfe für diese Option !

Zum besseren Verständnis soll hier noch die exakte Arbeitsweise der verschiedenen Modi beschrieben werden. Dazu sind die Punkte der auslösenden Belegtmelder (es kann sich durchaus auch um Reedkontakte oder Schaltgleise handeln) grün dargestellt und mit Nummern markiert.

 

Zuerst Einfahrt Zuerst Ausfahrt Ein- Ausfahrt parallel
  • Einfahrender Zug löst Kontakt 1 aus:
    - Abstellgleis wird gesucht
    - Weichen gestellt 
    - Fahrweg wird reserviert
  • Kontakt 2-6 (einer davon) wird ausgelöst:
    - Bremsvorgang beginnt
    - Weichen für ausfahrenden Zug stellen
    - Fahrweg reservieren
    - Ausfahrender Zug wird beschleunigt
  • Ausfahrender Zug löst Kontakt 7 aus
  • Nächste Ausfahrt, wenn Kontakt 8 auslöst
  • Einfahrender Zug löst Kontakt 1 aus:
    - Bremsvorgang beginnt
    - Weichen für ausfahrenden Zug stellen
    - Fahrweg reservieren
    - Ausfahrender Zug wird beschleunigt
  • Ausfahrender Zug löst Kontakt 7 aus:
    - Abstellgleis für einfahrenden Zug wird gesucht
    - Weichen gestellt
    - Fahrweg wird reserviert
    - Zug wird beschleunigt
  • Kontakt 2-6 (einer davon) wird ausgelöst:
    - Bremsvorgang beginnt
  • Nächste Ausfahrt, wenn Kontakt 8 auslöst
  • Einfahrender Zug löst Kontakt 1 aus:
    - Abstellgleis wird gesucht
    - Weichen gestellt
    - Fahrweg wird reserviert
    - Weichen für ausfahrenden Zug stellen
    - Fahrweg reservieren
    - Ausfahrender Zug wird beschleunigt
  • Kontakt 2-6 (einer davon) wird ausgelöst:
    - Bremsvorgang beginnt
  • Kontakt 7 wird ausgelöst
  • Nächste Ausfahrt, wenn Kontakt 8 auslöst

Solange wir den Schattenbahnhof nur in einer Richtung befahren, klappt das ganz wunderbar. Aber wehe, wenn, wie zuvor beschrieben, Züge über das Einfahrtweichenfeld wieder zurückfahren sollen. Dann muss die Steuerung exakt wissen, wann das Weichenfeld wieder frei wird und befahren werden kann. Dazu ist zwingend eine der folgenden Optionen erforderlich.

  1. Sie haben Belegtmelder auf den Weichen

  2. Sie fahren Ihre Anlage mit der Option "Berechne Fahrstraßenauflösung" - zu finden in den Profi Parametern. Dann wird der Fahrweg am Ende eines Zuges erst dann wieder aufgelöst, wenn der Zug den Abschnitt geräumt haben sollte.

  3. Sie Aktivieren in den Profi Parametern die Option "Nächste Ausfahrt erst bei Fahrstufe 0".

Option 1 ist wohl der theoretisch sauberste Ansatz; aber nicht ganz unproblematisch: bei einer Dreileiteranlage mit C-Gleis ist die Belegtmeldung des Weichenfeldes aufwändig. Bei Zweileiteranlagen lösen viele Wagen durch schlechte Kontaktgabe keine saubere Meldung aus. Das Weichenfeld könnte zu früh "frei" melden. Auch sind alle Wagen mit Widerstandsachsen auszurüsten. Hat man die nur am Ende des Zuges, dann kann während einer Zugfahrt das Weichenfeld "frei" melden. Darum schaltet man dann typischerweise auch die Option 2 ein, lässt das Ende des Zuges zusätzlich berechnen und ist dann auf der sicheren Seite. Wer ausschließlich mit der Berechnung nach Option 2 arbeiten will muss aber wissen, das er alle Zuglängen anzugeben hat und möglicht auch die Längen aller Gleisabschnitte. Auf Grund langsamer und langer Züge kann es sonst zu Fehlberechnungen kommen. Auf der ganz sicheren Seite ist man, wenn man die Option 3 wählt - sie ist aber auch die langsamer, weil sie die Zugfrequenz leicht senkt.

Hier noch ein Hinweis für die vielen Profis unter Ihnen: bald wird man die in den Profi Parametern vorhandenen Einstellungen individuell pro Schattenbahnhof einstellen können.

Ja, ja - wer eine Modellbahnanlage nicht nur bauen, sondern sie auch befahren möchte, der muss schon noch ein paar Entscheidungen treffen. Wie hieß es bei einem bekannten Büromöbelhersteller (IBM) ? Maschinen sollen arbeiten - Menschen sollen denken. Oder noch kürzer: DENKE!

Man sieht sehr deutlich, das bei manchen Konfigurationen Gefahren lauern können. Darum sollte nun auch dem Letzten klar geworden sein, warum zunächst eingehend mit der Simulation getestet werden sollte, bevor man Züge vom Fußboden aufsammeln muss...

Nächste Woche gibt es erst mal wieder einen internen Bericht. Schließlich wollen Sie doch wissen, warum zwei Berichte ausfallen mussten und wann endlich das neue Update erscheint. Danach geht es mit der Serie über Schattenbahnhöfe weiter. Vermutlich 2 bis 3 Berichte werden noch zu dem Thema folgen und hoffentlich nicht nur Anfänger sondern auch Fortgeschrittene und Profis zufrieden stellen. Das bisherige Feedback lässt es zumindest hoffen.

Ihr Railware Team

 

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