Letzte Woche bei Railware

22.10.2004

Wie es drunter aussieht, geht niemanden etwas an. Diese Zeiten sollten wohl vorbei sein - wirklich? In den vielen Jahren meiner aktiven Railware- Zeit habe ich so manche Anlage gesehen. Natürlich auch von unten. Eigentlich sogar bevorzugt von unten, denn für die zu erledigenden Aufgaben sind Verkabelung und Elektronik von höchster Bedeutung. Eine Überwachung und Steuerung per PC ist eben nur so gut, wie die Technik unter der Anlage. Und da scheinen viele Modellbahner immer noch nach dem obigen Motto zu verfahren. Selbst allgemein in der Modellbahnbranche bekannte, namhafte und erfahrene Modellbahner und -bauer machen elementare Fehler. Sie ignorieren damit nicht nur anerkannte Regeln der Technik, sondern versuchen schlicht die Gesetze der Physik außer kraft zu setzen.

Die Rede ist von den Kabeln und vor allem: von viel zu dünnen Kabelquerschnitten!

Niemand begeht Fehler in Absicht und das will ich hier auch keinem unterstellen. Darum möchte ich hier zunächst einmal zwei Gründe aufzählen, die wohl zu manchem Irrglauben geführt haben. Zunächst einmal muss man bedenken, dass in den guten alten analogen Zeiten Kabelquerschnitte eine untergeordnete Rolle spielten. Pro Gleisabschnitt fuhr immer nur ein Zug, der war meist unbeleuchtet und brauchte relativ wenig Strom. Und wenn der Zug mal etwas langsamer fuhr, dann drehte man den Regler eben etwas weiter auf um den Motor weiterhin mit genügend Spannung zu versorgen. In so fern waren die damals gebräuchlichen dünnen Kabel, die noch heute von einigen Modellbahnherstellern angeboten werden, durchaus ausreichend. Was sich natürlich auch in unzähligen Veröffentlichungen und Büchern dokumentierte und sich bis heute in den Köpfen festgesetzt hat. Zum zweiten gibt es immer noch Modellbahn- und Digitalsystemhersteller, die ihren Kunden weismachen wollen, das "digital" viel einfacher wäre und man nur noch 2 Drähte benötige. Das ist kompletter Unsinn und kann sich doch nur auf Startpackungen beziehen. Sollte ich boshafter Weise sagen, das die Systeme dieser Hersteller auch nur für einen Kreis mit 2 Loks geeignet sind? Tatsache ist, das der Verdrahtungsaufwand bei einer analogen und einer digitalen Modellbahnanlage etwa gleich groß ist.

So sieht es unter vielen Modellbahnanlagen aus ...

... und SOOO! sollte es aussehen.

Doch zurück zu den Kabelquerschnitten, denn bei einer digital betriebenen Anlage gelten die alten Regeln nicht mehr. Der wichtigste Grund ist, das der Gleisausgang des Digitalsystems oder eines Boosters etwa 3,5 Ampere Strom liefern kann. Und das tut er auch, besonders bei einem Kurzschluss auf der Anlage. Sind nun die Kabel zu dünn, dann erwärmen sie sich nicht nur sehr stark, sondern es kann passieren, das der Spannungsabfall auf dem Kabel so groß ist, das der Booster den Kurzschluss nicht wahrnimmt und damit auch nicht abschaltet.

Mal zwischendurch bemerkt: ein zu kleiner Trafo erhitzt sich stark und der Booster/Zentrale kann den maximalen Strom nicht liefern. Ein zu starker Trafo bringt hingegen auch nichts: der Booster schaltet beim Überschreiten des Nennstromes einfach ab. Für einen fahrenden H0- Zug rechnet man ca. 1A Stromverbrauch. Jeder Booster kann also, geschickte Gleisaufteilung vorausgesetzt, ca. 3 Züge mit Strom versorgen.

Wir müssen uns also um ausreichende Kabelquerschnitte bemühen. Damit das nicht allzu kompliziert wird, hier zunächst eine Skizze mit den typischen unter der Anlage vorkommenden Kabel.

Bei den unterbrochenen Linien handelt es sich um Kabel, bei denen keine Energien verteilt werden, wie etwa Bussysteme, Weichenantriebe, Signale oder die Digitalsignale, die an die Weichen- und Schaltdecoder geführt werden. Alle anderen Leitungen zwischen Trafos und Digitalsystem oder Booster oder Weichendecoder müssen für die typischen Ströme von bis zu 3,5 Ampere ausgelegt werden.

Bei der folgenden Tabelle, die ich für Sie errechnet habe*, sind für die gängigen Kabelquerschnitte und typischen Stromstärken einer digitalen Modellbahnanlage und die daraus resultierenden maximalen Kabellängen angegeben. Für diejenigen unter Ihnen, die schon mal von Kappa gehört haben und die unten gezeigte Formel kennen, hier noch ein paar Erläuterungen: auf der Trafoseite kann Delta U 10% gewählt werden, aber auf der Digitalseite sollten es deutlich weniger sein. Besonders dann, wenn nichtgeregelte Lokdecoder** benutzt werden oder stabilisierte Netzteile für die Booster***. Zur Vereinfachung wurde darum ein Spannungsabfall von 1,0 Volt angenommen. Angegeben ist die maximale Entfernung; Hin- und Rückleiter sind berücksichtigt.

Kabelquerschnitt (mm2)

0,14 0,25 0,5 0,75 1,5 2,5
Strom
(Amp)
1 2,0 3,5 7,0 10,5 21,0 35,0
2 1,0 1,8 3,5 5,3 10,5 17,5
3,5 0,6 1,0 2,0 3,0 6,0 10,0
4 0,5 0,9 1,8 2,6 5,3 8,8
5 0,4 0,7 1,4 2,1 4,2 7,0

Alle Längenangaben in Meter. Die maximalen Kabellängen bei Verwendung handelsüblicher Booster sind rot gekennzeichnet.

Na, nachdenklich geworden? Ich hoffe, dass nun wirklich alle begriffen haben, das Klingeldraht nichts unter einer Modellbahnanlage zu suchen hat.

Auf diesem Bild sieht man oben den von mir so verhassten Klingeldraht. Darunter eine "drahtlose" Maus. Ich habe sie vor einigen Wochen aus Wut und Verzweiflung vom PC getrennt, weil ich die Ignoranz eines "Klingeldraht- Modellbahners" nicht mehr ertragen konnte.

Wer mehr Informationen haben möchte oder mir nicht glaubt, kann sich in den einschlägigen Lehrbüchern der Elektrotechnik oder anderen Nachschlagewerken für Techniker kundig machen. Auch die NEM 604 enthält geeignete Informationen, wenn auch mit einem kleinen Fehler.

Was tun, wenn ein Hersteller von elektronischen Komponenten nur winzigkleine Schraubklemmen liefert? Da kann es nur drei Rückschlüsse geben: entweder hat er keine praktische Erfahrung oder seine Kunden haben nur kleine Anlagen oder er muss sparen (koste es den Kunden, was es wolle). Aber im Ernst: dann muss man sich so behelfen, das für die Klemmen passende dünne Kabel benutzt werden, die nach wenigen Zentimetern auf eine Lötleiste oder Schraubklemme gelegt werden und von dort mit dem nötigen Kabelquerschnitt weiter arbeiten. Das gleiche gilt auch für die Anschlüsse der Gleise: niemand verlangt, das Sie 1,5mm2 oder 2,5mm2 Kabel direkt an die Gleise klemmen, löten oder schrauben. Erst kommt ein kurzer passender Draht, dann der Dicke - wie man es auch auf dem zweiten Foto erkennen kann.

Ach ja, und nie vergessen: Litze wird bei Schraubklemmen nie nackt oder verzinnt angeklemmt, sondern ausschließlich mit Aderendhülsen. Gibt es im Baumarkt oder bei "Unrad". Und am besten auch gleich eine Abisolierzange mitbringen, dann werden die einzelnen Adern auch nicht beschädigt.

Weiterhin viel Spaß beim Bauen oder Spielen mit Ihrer Modellbahn und mit Railware wünscht Ihnen
das Railware Team

P.S. Demnächst werden die Nächte mit Ihrer Modellbahn schöner !

* Nicht wirklich, ich habe lediglich eine Tabellenkalkulation**** bemüht...
** Macht das etwa noch jemand?
*** Mmmmh, so viel schöne Energie in Wärme umsetzen, wie intelligent. Lieber 10€ mehr für lastgeregelte Decoder ausgeben.
**** Railware ist eine Excel- freie Zone.

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