Letzte Woche bei Railware

23.11.2003

Der letzte Bericht war umfangreich und handelte von Weichen. Ein relativ häufig vertretener Punkt fehlt allerdings noch: Schattenbahnhöfe und die Verwaltung durch den Dispatcher. Kunden wissen, das die gesamte Intelligenz der Schattenbahnhöfe in Railware im so genannten "Dispatcher" steckt. Er verwaltet bei geringem Konfigurationsaufwand die Abstellgleise und findet auch selbsttätig Wege dorthin. Gelegentlich kommen Supportanfragen, wonach es bei der Einfahrt von Zügen zu Kurzschlüssen kommt und damit zu vermeintlich nicht geschalteten Weichen. Warum ? 

Bei einem in Fahrt befindlichen Zug muss die Zeit vom Auslösen eines Belegtabschnittes bis zur ersten Weiche ausreichend bemessen sein, um die nötigen Weichen zu schalten. Gerade in Schattenbahnhöfen haben viele aber nur kurze Abschnitte für den Dispatcher vorgesehen. Manchmal sind es auf Nachfrage gar nur 50 cm gewesen. Ja, wie soll denn da noch Zeit zum Weichen schalten bleiben ? Das kann schon gar nicht gehen, wenn auch an anderen Anlagenteilen Zugbetrieb herrscht und ebenfalls Weichen geschaltet werden müssen. Der in den Schattenbahnhof einfahrende Zug befindet sich dann meist schon auf den Weichen - Kurzschluss oder Entgleisung sind die Folge. Die Ursache sind aber keine "vergessenen" Weichen, sondern die Zeit hat einfach nicht mehr gereicht ! Gerade Betreiber von Anlagen mit motorischen Weichentrieben müssen dies berücksichtigen.

Die Lösung ist ganz einfach: reduzieren Sie bereits am Gleisabschnitt vor dem Dispatcher die Geschwindigkeit, z.B. auf 70 km/h. Bei Abständen kleiner als einem Meter empfiehlt sich die Benutzung der Option "Zuerst Ausfahrt", weil dann der Zug grundsätzlich am Dispatcher angehalten wird und ein stehender Zug immer erst dann wieder anfährt, wenn nirgends mehr Weichen auf der Anlage zu schalten sind.

Tja, und auch hier muss man mal wieder sagen, das Benutzer eines auf Selectrix basierenden Digitalsystems oder eines "reinen" DCC Systems nicht betroffen sind, weil hier Weichen erheblich schneller geschaltet werden können. 

Gerade in Schattenbahnhöfen finden sich die wirrsten Gleisverbindungen untereinander, deren Sinn sich oft nur dem Erbauer erschließt. Damit diese mit dem Dispatcher funktionieren, werden manchmal Hilfsautomatiken verwandt. Das sollte man besser nicht tun, denn eine Hilfsautomatik wird genau 1x ausgeführt: nämlich zu dem Zeitpunkt an dem das auslösende Ereignis stattfindet (z.B. "Gleis Besetzt" oder "Zug Weiterfahrt"). Wenn zu diesem Zeitpunkt die zu schaltende Weiche aber noch von einer Fahrstraße reserviert ist, dann kann sie natürlich nicht geschaltet werden. Die Hilfsautomatik wird also nicht berücksichtigt und der Benutzer glaubt, das die Software die Weiche vergessen hat.

Aus dem gleichen Grund, werden gelegentlich "Zuggattungen" in den Abstellgleisen oder Gleisverbindungen konfiguriert, damit die Zuglenkung dem Dispatcher "nachhelfen" möge. Auch das ist eine bisher nicht erlaubte Kombination: der Dispatcher arbeitet exakt nach den in den Handbücher erlaubten Regeln. Eine Kombination mit der Zuglenkung könnte zu "vergessenen" Weichenbefehlen führen. Mit dem nächsten Update wird sich dies aber ändern: der Dispatcher kann dann Züge nach Heimatgleis, Zuggattung, Gleislänge oder mangels Regel irgendwo abstellen. Bei der Ausfahrt kann die Zuglenkung optional beim gewünschten Ausfahrtgleis eingreifen und auf besonderen Wunsch können Umlaufgruppen gebildet werden, bei denen z.B. ein einfahrender Güterzug auch wieder einen anderen Güterzug herausholt oder 4 Nahverkehrszüge im regelmäßigen Wechsel fahren.

Ein letzter Grund für ein angebliches Fehlverhalten in Schattenbahnhöfen kann die Simulation des Betriebs von Hand oder mit der Fahrsimulation sein. Der Dispatcher kennt nämlich nach dem Start eines Gleisbildes, nach einer Grundstellung, nach einer Anforderung aller Rückmelder und bei der Einfahrt in ein Abstellgleis mehr oder weniger lange Pausen in denen er die fahrenden Züge beobachtet und sonst nichts tut. Wer also per Mausklick innerhalb zwei Sekunden einen simulierten Zug durch den Schattenbahnhof "scheucht", wird sich wundern: es kommt zu Fehlverhalten. Bis zur Version 4.10 gab es für die "Simulanten" unter Ihnen noch ein weiteres Problem, das aber gerade auf Grund mancher Testanordnung störte: der ausfahrende Zug durfte nicht innerhalb von 10 Sekunden wieder an der Einfahrt erscheinen.

Alles zu kompliziert ? Das scheint auch anderen Herstellern so zu gehen. Letzte Woche kam mal wieder eine Anfrage, wie denn die Rückmeldeadressen bei einem Digitalsystem zu konfigurieren wären. Insbesondere wenn S88- und LocoNet- Bausteine gleichzeitig betrieben werden. Der Supportkollege aus dem Ruhrgebiet hatte den Kunden mit dem Hinweis "das müsse der Hersteller der Software sagen" abgewimmelt. Ja wieso denn das ? Da bastelt ein Hersteller zwei Bussysteme zusammen und damit das dann von einem PC noch ausgewertet werden kann, muss er das LocoNet noch "irgendwie" kompatibel zur S88- konformen Übertragung an den PC machen. Aber das sollte man dann schon in den Handbüchern des Herstellers finden, oder ?

Leider kann ich mir, gerade bei der immer noch wachsenden Vielfalt (besser: Wildwuchs), wirklich nicht mehr alle Bausteine aller Hersteller beschaffen und ausprobieren. Ich will es auch gar nicht !!

Natürlich habe ich dem Kunden trotzdem gerne geholfen, soweit ich mich noch erinnern konnte. Er war denn auch so freundlich, mir nach dem Telefonat mal eine Beschreibung zu faxen (in der auch nichst stand) und brachte mich auf eine eigentlich naheliegende Idee für das Problem der fehlenden Synchronisation der LocoNet- Melder mit dem PC. Vielen Dank nochmals dafür.

Für alle, die es interessiert: LocoNet Eingänge sind frei konfigurierbar. Damit sie in das S88 Schema passen, sollten die Adressen im Anschluss an den letzten echten S88 Baustein folgen. Wenn Sie also drei S88 Bausteine haben, dann haben diese die Nummern 1-1 bis 3-16. Es sind 48 Eingänge und demnach folgt dann der erste LocoNet Rückmeldebaustein mit den Adressen 49 bis 56 (LocoNet Bausteine haben immer 8 Eingänge). Im Übertragungsprotokoll des Digitalsystems und demnach auch in der Railware Konfiguration erscheinen die dann als 4-1 bis 4-8. Der zweite LocoNet Rückmeldebaustein mit 57 bis 64 wäre dann 4-9 bis 4-16 und beim dritten Baustein folgt 5-1 bis 5-8. Mischen sollten Sie aber besser nicht (der Hersteller nennt das selbst "strange arrangement"): entweder alles S88 oder alles LocoNet !

Kompliziert ? Ja, aber warum mischen Sie denn auch Techniken und Bussysteme, die nicht zusammengehören. Nehmen Sie doch ein einfaches, leistungsfähiges und klar strukturiertes Digitalsystem !

Gleich mal aufräumen möchte ich auch mit der gelegentlich geäußerten Meinung, das LocoNet Rückmelder schneller arbeiten würden als S88 Rückmelder. Entscheidend ist nicht irgendeine Übertragungsrate auf irgendeinem Bussystem, sondern schlicht die Methode mit der Änderungen an den PC gelangen ! Bei Lenz, HSI-88 und original LocoNet von Digitrax werden Änderungen sofort und direkt an den PC übertragen - schneller geht es nicht. Bei allen anderen Systemen muss der PC in möglich kurzen Zeitintervallen danach fragen ....
Schließt man also LocoNet Rückmelder an ein Digitalsystem mit Abfrageprinzip an, dann macht man diesen Vorteil gerade wieder kaputt.

Wenigstens sind die besagten Rückmeldebausteine, im Gegensatz zu einer Infrarotfernbedienung, LocoNet kompatibel. Da kann man sie später wenigstens an ein "richtiges" LocoNet anschließen. Das bringt mich nun zum Ergebnis, das es für unsere Kunden viel besser wäre, endlich den wahren und echten LocoNet Treiber fertig zu stellen, statt mal wieder eine spezielle Konfigurationsseite für Modul 123 von Hersteller ZYX aufzunehmen. Der ist nun wirklich überfällig !

Das war es für diesmal. Gerne hätte ich Ihnen auch noch weiteres Hintergrundwissen gegeben, aber es ist schon alles kompliziert genug. Darum habe ich auch schon eine "Drohung" diesen Sommers wahr gemacht und etliche Systemoptionen entfernt. Sie stellen sich jetzt selbsttätig ein.
Im nächsten Bericht gibt es Informationen über eine neue Softwareerweiterung für Railware und meine Besuche und Testergebnisse der kommenden Woche. Und zwar in Farbe (ah, endlich wieder Bilder) !

Bis dahin weiterhin viel Spaß mit Railware wünscht Ihnen

Dieter Hinz

 

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